Zum Umfang der Befunderhebung bei plötzlichem stechendem Kopfschmerz

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil vom 09.11.2002 – I-26 U 142/09 – grundsätzliche Hinweise zur Befunderhebung bei plötzlichen stechenden Kopfschmerzen gegeben. Beim Auftreten solcher Schmerzen habe sich die Befunderhebung auch auf den Ausschluss einer Subarachnoidalblutung im Sinne eines „Warning Leak“ zu erstrecken. Die Ergebnisse der Anamnese und Befundung seien dokumentationspflichtig.

 

Der Kläger des dortigen Verfahrens befand sich berufsbedingt an einem anderen Ort als seinem Wohnort. Aufgrund des Auftretens von heftigen Kopfschmerzen wurde er mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. Die diensthabende Assistenzärztin stellte die Diagnose „Spannungskopfschmerz“, verabreichte ein Schmerzmittel und entließ den Kläger nach Rücksprache mit einem erfahrenen Kollegen wieder.

 

13 Tage später erlitt der Kläger eine Subarachnoidalblutung, die ihn zu einem schweren Pflegefall gemacht hat.

 

Das Gericht stellt fest, dass bei der Erstuntersuchung des Klägers nicht erkannt worden sei, dass bei ihm eine erste Subarachnoidalblutung als „Warning Leak“ stattgefunden habe. Die stattdessen gestellte Diagnose eines Spannungskopfschmerzes hätte dagegen nur gestellt werden dürfen, wenn zuvor die Möglichkeit einer Subarachnoidalblutung ausgeschlossen worden wäre. Hierbei handele es sich um einen sogenannten Befunderhebungsfehler. Als maßgebliches Symptom einer Subarachnoidalblutung (SAB) sei eine plötzliche Steigerung und Heftigkeit eines Kopfschmerzes anzusehen. Dabei werde der Bereich des im Aufnahmebefund dokumentierten Spannungskopfschmerzes verlassen, der durch einen sich wiederholenden leichten bis mittleren Schmerz, mit drückender Schmerzqualität und ohne Verstärkung durch Routineaktivitäten wie Gehen oder Bücken gekennzeichnet sei. Bei dem Kläger sei ein solcher plötzlicher und heftiger Kopfschmerz aufgetreten, der über die Qualität eines Spannungskopfschmerzes hinausgegangen sei.

 

Dabei komme es nicht darauf an, dass keine Übelkeit, kein Erbrechen, keine Desorientierung und keine neurologischen Ausfälle vorgelegen hätten. Die Beeinträchtigungen müssen bei einer SAB nicht zwingend vorliegen. Danach hätte die Frage gestellt werden müssen, ob die für eine SAB sprechenden stechenden Kopfschmerzen schon einmal aufgetreten seien. Die behandelnde Ärztin hätte dabei von der schwerstmöglichen Erkrankung, also einer SAB, ausgehen müssen und diese vor der Bewertung als Spannungskopfschmerz ausschließen müssen.

 

Das Gericht hat dem Kläger eine Beweiserleichterung zuerkannt, die nicht nur bei einem groben, sondern auch bei einem einfachen Befunderhebungsfehler gerechtfertigt sei, wenn die unterlassene Befundhebung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einem reaktions-pflichtigen Befund geführt hätte und sich die Verkennung des Befundes oder das Verhalten des Arztes auf der Basis dieses Ergebnisses als grob fehlerhaft darstellen würde (BGH, Urteil vom 13.09.2011 – VI ZR 144/10).

 

Das Berufungsgericht hat der Klage dem Grunde nach stattgegeben und hierüber durch Grundurteil entschieden. Der Höhe nach sei die Klage noch nicht entscheidungsreif.

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