Arzthaftungsrecht und Pathologie

Teil 3: Folgen ärztlicher Fehler außerhalb des Zivilrechts

Der letzte Teil der Reihe beschäftigt sich mit den Folgen ärztlicher Behandlungsfehler, die nicht mit Zahlungen an den Patienten zu bereinigen sind. Die folgende Aufzählung von unangenehmen Folgen sollte aber niemandem Angst machen, denn diese Folgen sind allesamt wirklich selten. Gleichwohl gilt auch hier: Kenne Deine Feinde und reagiere im Ernstfall angemessen.

 

1. Strafrecht

 

Im Bereich der Staatsanwaltschaft Düsseldorf fanden gegen 300 der dort tätigen 4.000 Ärzte in einem Fünfjahreszeitraum Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung durch Behandlungsfehler statt (Statistik 1992-1996, nach Peters, "Defensivmedizin durch Rechtsunsicherheit im Arztstrafverfahren?", MedR 2003, 219). 80 % dieser Verfahren wurden aus medizinischen Gründen eingestellt. Zu einer Verurteilung kam es nicht, lediglich in 6 % der Fälle musste der betroffene Arzt eine Geldauflage gegen Einstellung erfüllen.

 

Dieses friedvolle Bild wandelt sich nach dem subjektiven Empfinden des Autors derzeit (konkrete neuere Statistiken gibt es nicht). Grund für einen gestiegenen Verfolgungswillen und für einen steigenden Hang zu Verurteilungen dürfte die zunehmende Spezialisierung von Staatsanwälten und Richtern im medizinrechtlichen Bereich sein. Es ist der Justiz in den letzten Jahren gelungen, im Verhältnis zur schon früh spezialisierten Anwaltschaft wieder annähernd Waffengleichheit herzustellen.

 

Im Strafverfahren geht es für den Arzt anders als im Zivilverfahren fast immer um Kopf und Kragen: Folge einer Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung kann stets ein standesrechtliches Verfahren, eventuell sogar ein Approbationsentziehungsverfahren sein. Oberstes Ziel ist daher stets die Vermeidung einer Verurteilung, d.h. eine Einstellung "um jeden Preis".

 

2. Standesrecht

 

Standesrechtlich hat der Patient die Möglichkeit, sich an die zuständige Ärztekammer zu wenden. Die Ärztekammern haben die Aufgabe, die Einhaltung der Standespflichten durch die Ärzte zu überwachen. Geht man davon aus, dass zumindest bei einer Häufung von Behandlungsfehlern auch Berufspflichten verletzt sind, gehören solche Patientenbeschwerden eigentlich in die Zuständigkeit der Berufsgerichtsbarkeit. Sämtliche Ärztekammern haben allerdings besondere Abteilungen eingerichtet, die sich mit Behandlungsfehlervorwürfen zu befassen haben. Diese heißen "Schiedsstelle" oder "Gutachterkommission" und haben je nach Standort die Aufgabe, das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, teilweise auch der Kausalität für Schäden des Patienten, zu prüfen und ggf. auch Regulierungsvorschläge zu machen. Ihre Tätigkeit ist für den Patienten kostenfrei und für beide Parteien freiwillig. Das Verfahren findet nur statt, wenn kein Zivilprozess und kein Strafverfahren anhängig sind. Dem Arzt ist häufig nicht zu raten, sich an dem Verfahren zu beteiligen, da die Erfolgsquote der Patienten mit etwa 30 % weitaus höher liegt als im gerichtlichen Verfahren. Außerdem  wird dieser Weg häufig von Patienten beschritten, die ein gerichtliches Verfahren aus Kostengründen scheuen und nur in einem Gratis-Verfahren ihre Ansprüche weiter verfolgen, ansonsten aber davon absehen.

 

Die Einrichtung der Schiedsstellen und Gutachterkommissionen hat dazu geführt, dass sich die Kammern in aller Regel nur medizinisch, nicht aber standesrechtlich mit Behandlungsfehlervorwürfen beschäftigen. Nur wenn der Patient ausdrücklich die Einleitung eines berufsrechtlichen Verfahrens begehrt, wird ein solches vom dann zuständigen Kammervorstand geprüft. Praktisch findet ein solches Verfahren nur selten konsequent statt, etwa bei vorsätzlicher Begehungsweise (Verschweigen eines Behandlungsfehlers mit der Folge schwerer Gesundheitsschäden) oder bei einer weit über das normale Maß hinausgehenden Häufigkeit von Fehlern. In diesen Fällen ist die Einschaltung eines Rechtsvertreters unerlässlich, damit nötigenfalls die Grenzen zwischen Standesrecht und Standrecht aufgezeigt werden.

 

3. Approbationsrecht

 

Für das Approbationsrecht gelten die Ausführungen zum Standesrecht analog: Approbationsentziehung ist fast stets die Folge von strafrechtlichen und standesrechtlichen Verfahren. Ein isoliertes Verfahren vor der Approbationsbehörde wegen Behandlungsfehlern tritt praktisch nicht auf. Gelingt also bereits die Erledigung des straf- bzw. standesrechtlichen Verfahrens, bestehen approbationsrechtlich für gewöhnlich keine Probleme.

 

4. Ein Wort des Trostes

 

Wer von einem Haftungsfall betroffen ist, sollte damit nicht hadern: Es handelt sich um die Verwirklichung eines typischen Berufsrisikos, ähnlich wie bei einem Tapezierer, der sich einmal in den Finger schneidet. Bei etwa 20.000 behaupteten Behandlungsfehlern pro Jahr auf etwa 400.000 Ärzte kommt statistisch jeder alle 20 Jahre, also ein- bis zweimal im Berufsleben, einmal dran. Bei Pathologen dürfte diese Häufigkeit aufgrund der Vielzahl der Behandlungsfälle bzw. Diagnosefälle, des hohen Anteils stationär behandelter Patienten und der schwierigen Differenzialdiagnostik höher sein als bei den meisten anderen Arztgruppen. Und noch etwas: Die Häufigkeit von (behaupteten) Behandlungsfehlern lässt bei Pathologen weder Rückschlüsse auf die diagnostische Qualität noch auf die Patientenzufriedenheit zu, auch insoweit eine Abweichung von anderen Facharztgruppen. Für die Häufigkeit von Haftungsfällen bei einem Pathologen kann durchaus der zuweisende Kliniker verantwortlich sein, mit dem die Patienten unzufrieden sind. Zur Qualität: Ringversuche sind im Allgemeinen ein besserer Qualitätsindikator als das (meist unqualifizierte) Geschrei von Patientenanwälten.

 

Ein letzter Rat: Die Abwicklung des Falles sollte möglichst schnell auf andere übertragen werden, damit der Kopf frei wird für neue Befundungen. Ein unkonzentrierter Arzt, der einer falschen Diagnose hinterher trauert, kann seinen anderen Patienten nicht nützlich sein. Die Natur hat uns mit entsprechenden Verdrängungsmechanismen ausgestattet, die ausgenutzt werden sollten.

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