Sehr geehrte Damen und Herren,
in der 37. Ausgabe meines Informationsbriefs berichte ich über ein Problem, das bei der Beitreibung von unbezahlten Privatrechnungen immer wieder auftritt: Der Patient behauptet, zwischen ihm und dem Pathologen bestehe kein Behandlungsvertrag, da ihm durch den Kliniker im Rahmen der Primärbehandlung keinerlei Mitteilung gemacht worden sei, daß beziehungsweise warum sein Patientenmaterial in die Pathologie eingesandt wurde. Juristisch bedeutet diese Einwendung von Privatpatienten, daß zu prüfen ist, ob überhaupt ein Behandlungsvertrag zwischen dem Privatpatienten und dem Pathologen zustande gekommen ist.
So war es auch im vorliegenden Streitfall vor dem Amtsgericht Lippstadt, dessen Urteil in anonymisierter Form beiliegt. Bei dem sehr stark tätowierten Patienten wurde ein auffälliges Hautstück entnommen, das anschließend in der Pathologie begutachtet wurde. Es handelte sich dabei um ein Malignes Melanom. Später behauptete der Patient, er sei nicht ordnungsgemäß über die anstehende Untersuchung der Pathologie aufgeklärt worden. Die behandelnde Hautärztin habe das Gewebe einfach weggeschickt. Er sei auch nicht zum Hautarzt gegangen, weil er eine Krebsvorsorge erwartete, sondern die Hautveränderung habe ihn gejuckt und optisch gestört. Mit einer Untersuchung in der Pathologie sei er nicht einverstanden gewesen.
Das Unangenehme an solchen Fällen ist, daß manche Richter sich bei einer solchen Sachlage veranlaßt sehen, den jeweiligen Einsender zur mündlichen Verhandlung als Zeugen zu laden und dieser daraufhin für einen halben Tag seine Praxis schließen muß, um den Gerichtstermin wahrzunehmen. Dies kann das Verhältnis zwischen dem Pathologen und dem Kliniker deutlich belasten, insbesondere dann, wenn es öfter vorkommt. Viele Pathologen verzichten deshalb im Streitfall auf die Forderung und nehmen die Klage zurück, sobald die Ladung zur mündlichen Verhandlung für den Kliniker vom Richter verfügt wird. Das ist besonders ärgerlich, wenn man dann auch noch die Anwaltskosten des Patienten bezahlen muß.
Das Amtsgericht Lippstadt hat den Fall eleganter gelöst, indem es die eigentlich im Strafrecht entwickelte Entscheidungsform der Wahlfeststellung genutzt hat. Eine solche Wahlfeststellung wird bemüht, wenn man unabhängig davon, ob eine streitige Tatsache vorliegt oder nicht, immer zum gleichen Ergebnis kommt. Im Ausgangsfall stellte sich das dar wie folgt: Entweder der Pathologe hatte Recht und die Einsenderin hatte das Versenden des Materials an die Pathologie mit dem Patienten besprochen oder ein Behandlungsvertrag war nicht zustande gekommen, die Untersuchung entsprach aber dem mutmaßlichen Willen und im Interesse des Patienten. Daß Letzteres bei der Diagnose „Malignes Melanom“ selbstverständlich der Fall war, liegt auf der Hand. Dementsprechend war ein Zahlungsanspruch gegen den Patienten entweder aus Behandlungsvertrag oder aus Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 683 BGB, gegeben.
Ich verweise nochmals auf das anliegende Urteil. Gern können Sie hiervon Gebrauch machen, um zahlungsunwillige Privatpatienten von der richtigen Rechtslage zu überzeugen.
Herzlichst Ihr C. Renzelmann
§ 677 BGB: Pflichten des Geschäftsführers. „Wer ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein, hat das Geschäft so zu führen, wie das Interesse des Geschäftsherrn mit Rücksicht auf dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen es erfordert.“
§ 683 BGB: Ersatz von Aufwendungen. „Entspricht die Übernahme der Geschäftsführung dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn, so kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.“