Rechtsinformationen für Pathologen

Ausgabe 1/2016 - Thema: Sitzeinziehung

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

aufgrund meiner immer stärkeren Spezialisierung auf die Rechtsverhältnisse von Pathologinnen und Pathologen vertrete ich nunmehr einen großen Teil insbesondere der niedergelassenen Pathologen in Deutschland. Es ist mir deshalb nicht mehr möglich, interessante aktuelle Neuerungen an jeden Mandanten einzeln telefonisch oder schriftlich zu übermitteln. Es ist aber erforderlich, dass Sie sich von Zeit zu Zeit mit aktuellen Änderungen der Rechtslage beschäftigen, damit Ihnen keine Nachteile entstehen. Ich habe deshalb beschlossen, in Form eines Mandantenbriefes von Zeit zu Zeit über wichtige Entwicklungen zu informieren. Wenn Sie diese Informationen nicht erhalten möchten, senden Sie mir bitte eine kurze Mail.

 

Ende Juli ist das sogenannte Versorgungsstärkungsgesetz in Kraft getreten, dass in allen möglichen die Pathologie berührenden Rechtsbereichen Änderungen erbracht hat. Eine dieser Änderungen ist die Konstituierung einer Pflicht der Kassenärztlichen Vereinigungen, die Einhaltung der Versorgungsaufträge zu prüfen und die Ergebnisse den Landes- und Zulassungsausschüssen mindestens einmal jährlich zu übermitteln, § 95 Abs. 3 Satz 4 und 5 SGB V. Dies bedeutet, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen einmal jährlich, erstmals im Jahr 2016, prüfen werden, ob auf jedem Kassenarztsitz genügend Leistungen abgerechnet wurden. Bisher fand diese Prüfung lediglich dann statt, wenn ein Kassenarztsitz zur Ausschreibung gelangt. Jetzt ist regelmäßig anlaßunabhängig zu prüfen. Ist ein Sitz nicht ausreichend bewirtschaftet, wird er (gegen Entschädigung) eingezogen. 

 

Die Gefahr des Einzugs von Kassenarztsitzen bei Pathologen hat der Bundesverband Deutscher Pathologen bereits frühzeitig erkannt und dies jeweils auf den Regionalkonferenzen angesprochen. Die zunächst abstrakt erkannte Gefahr konkretisiert sich jetzt zunehmend und es gibt erste konkrete Äußerungen von KV-Mitarbeitern, wie verfahren werden soll.

 

Ich hatte vor einigen Tagen Gelegenheit, mit dem Hauptabteilungsleiter Bedarfsplanung und Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin zu sprechen. Dieser untersteht direkt dem Vorstand der KV und ist somit der höchste Entscheidungsträger in diesem Bundesland. Er sagte klar und deutlich, dass er sich ausschließlich an der erwirtschafteten Fallzahl des jeweiligen Pathologen orientieren wird und dann, wenn auf dem Sitz weniger als 50 % der Fälle der Vergleichsgruppe erbracht werden, einen halben Sitz einziehen werde. Falle diese Quote unter 20 % bzw. 10 % (hier war er sich noch nicht ganz sicher), werde er den ganzen Sitz einziehen. 

 

Diesen Äußerungen ist zu entnehmen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen bereits dieses Jahr, also unmittelbar nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes, Ernst machen und das Gesetz schonungslos umsetzen werden. Hierauf müssen die Pathologen reagieren. Folgendes ist zu beachten:

 

1.

Auf Ihrem Abrechnungsbeleg der Kassenärztlichen Vereinigung finden Sie jeweils eine Zahl, die angibt, wie viele Fälle die Facharztgruppe der Pathologen in Ihrem Planungsbereich durchschnittlich pro Quartal erbringt. Dies ist die Zahl, an der Ihre Leistungen zukünftig gemessen werden. Wo diese Zahl genau steht, unterscheidet sich von KV zu KV, da jede Kassenärztliche Vereinigung äußerlich verschiedene Abrechnungen erstellt. Meist bewegt sich diese Zahl im Bereich von 5.000 Fällen.

 

2.

Es kommt derzeit ausschließlich auf die Anzahl der Fälle an, nicht auf die Qualität der Fälle. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind bisher nicht bereit, die Dinge differenziert zu betrachten, sondern gehen ausschließlich nach der Fallzahl. Hierdurch ist es kürzlich dazu gekommen, dass der Sitz eines spezialisierten Hämatopathologen, der naturgemäß weniger Fälle abrechnet, eingezogen wurde.

 

3.

Bei Gemeinschaftspraxen kommt es auf den einzelnen Arzt an. Die Zulassung ist immer an eine Person gebunden und nicht an eine Gemeinschaftspraxis. Die Bezugnahme auf einen einzelnen Arzt ist der KV auch möglich, weil über die in den Praxen vorhandenen Computersysteme und die Vergabe der lebenslangen Arztnummer zweifelsfrei festgestellt werden kann, wer in der Praxis die einzelne Leistung erbracht hat. Das bedeutet für Gemeinschaftspraxen, dass die Arbeit so aufgeteilt werden muss, dass kein Arzt unter die 50-Prozent-Grenze fällt. Eine Arbeitsaufteilung etwa dergestalt, dass ein Arzt nur Krankenhäuser betreut, während ein anderer im ambulanten Bereich tätig ist, ist hiernach nicht mehr möglich. Eine Aufteilung dergestalt, daß ein Arzt vormittags den Zuschnitt macht und nachmittags an Tumorkonferenzen teilnimmt, aber keine oder wenig Histologie macht, ist ebenfalls problematisch.

 

4.

Da die Kassenärztlichen Vereinigungen zumindest zu Beginn absolut undifferenziert vorgehen werden, geht man unnötigen und existenzbedrohenden Streitigkeiten am besten aus dem Wege, wenn man die richtigen Zahlen liefern kann. Sollte doch einmal eine Kassenärztliche Vereinigung einen Sitz einziehen, kann ggf. durch Praxisbesonderheiten die Sache noch repariert werden. Ein Beispiel dafür ist die Erbringung besonders aufwendiger Leistungen oder auch bestimmte Tätigkeiten in der Berufspolitik oder der Lehre. In solchen Fällen hat es schon Ausnahmen gegeben, die die Kassenärztlichen Vereinigungen dazu bewogen haben, von einer vollständigen Verpflichtung des betroffenen Arztes zur Ausfüllung des Versorgungsauftrages abzusehen. Dies sind aber lediglich Hilfserwägungen.

 

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nunmehr genau darauf geachtet werden muss, auf einem Kassenarztsitz nicht zu wenig (Gefahr der Sitzeinziehung) und auch nicht zu viel (Gefahr des Plausibilitätsprüfungsverfahrens) Leistungen zu erbringen. Damit ist die Installation der Planwirtschaft im Gesundheitswesen endgültig abgeschlossen.

 

Ich werde in unregelmäßigen Abständen weiter berichten.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

gez. Renzelmann

Rechtsanwalt

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Sitzeinziehung
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