Medizinische Versorgungszentren im Lichte des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes

Ist die Beteiligung an einem MVZ für Pathologen sinnvoll?

 

Handout Bundeskongress Pathologie 2008

 

Inhalt:

  1. MVZ, Begriff und Voraussetzungen
  2. Arten von MVZ
  3. Krankenhaus - MVZ: Unter welchen Bedingungen sinnvoll?
  4. Ärzte - MVZ: Konstruktion, Vor- und Nachteile
  5. Problem 1: Überörtliches MVZ
  6. Problem 2: Kooperation zwischen MVZ und freiberuflichen Pathologen? Teilgemeinschaftspraxis mit einem MVZ, MVZ als Kooperationspartner
  7. Problem 3: Ärzte als Gesellschafter einer Trägergesellschaft, Kollision mit Standesrecht

 

Ad 1) MVZ, Begriff und Voraussetzungen

 

Legaldefinition in § 95 I 2 SGB V: "Medizinische Versorgungszentren sind fachübergreifende ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister ... eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind."

 

Voraussetzungen:

  1. Fachübergreifend (auch unterschiedliche Schwerpunktbezeichnungen)
  2. Ärztlich geleitet (Geschäftsführer muß kein Arzt sein)
  3. Gründer müssen Leistungserbringer im Sinne des SGB V sein (z.B. Arzt, Krankenhaus, Taxiunternehmer) und diese Gründereigenschaft ständig beibehalten
  4. Bürgschaften der beteiligten Vertragsärzte
  5. Betrieb in allen erlaubten Rechtsformen möglich (GmbH, GbR, AG, PartG, nicht aber OHG/KG), soweit berufsrechtlich zulässig

Ad 2) Arten von MVZ

 

Krankenhaus-MVZ: Das medizinische Versorgungszentrum befindet sich ganz oder überwiegend in der Hand eines Krankenhauses.

 

Ärzte-MVZ: Das medizinische Versorgungszentrum wird von niedergelassenen Ärzten betrieben, gleichsam als Alternative zur fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis.

 

Etwa 50 % der bestehenden Medizinischen Versorgungszentren sind Ärzte-MVZ, was darauf beruht, daß bis zum Inkrafttreten des VÄndG eine fachübergreifende kassenärztliche Gemeinschaftspraxis nicht gegründet werden durfte.

 

Ad 3) Beteiligung eines Pathologen an einem Krankenhaus - MVZ: Unter welchen Bedingungen sinnvoll?

 

Die Beteiligung eines niedergelassenen Pathologen an einem Krankenhaus-MVZ erscheint unter folgenden Gesichtspunkten als sinnvoll:

 

a) Gemeinsame Nutzung von Personal und Geräten, wobei das Haftungsrisiko für Geräte, Löhne und Gehälter beim Krankenhausträger verbleibt

 

b) Überleitung von Leistungen aus dem stationären in den ambulanten Bereich, z.B. beim bevorstehenden Ausscheiden eines Krankenhauspathologen als Alternative zur Schließung der Abteilung. Der niedergelassene Pathologe kann mit dem Krankenhaus und ggf. dem Krankenhauspathologen ein MVZ (durchaus auch nur im Sinne einer Teil-Gemeinschaftspraxis) gründen und so mittelfristig eine Überleitung der Krankenhausabteilung in die Arztpraxis des Niedergelassenen erreichen

 

c) MVZ als wesentlicher Bestandteil des Behandlungspfades ambulant / stationär / ambulant; Verzahnung der Schnittstellen ambulant / stationär; Teilnahme an der integrierten Versorgung

 

d) Ausbau und gesellschaftsrechtliche Verfestigung der Geschäftsbeziehung zum Krankenhausträger

 

Ad 4) Ärzte - MVZ: Konstruktion, Vor- und Nachteile

 

Konstruktion:

 

Für Pathologen bietet sich die Gründung eines Ärzte-MVZ vor allem gemeinsam mit Labormedizinern, Radiologen und zytologisch tätigen Gynäkologen an. Ob hierzu ein MVZ die sinnvollere Lösung ist oder eine fachübergreifende Gemeinschaftspraxis, richtet sich nicht vornehmlich nach dem Zulassungsrecht, sondern vor allem nach steuerlichen (Gewerbesteuer, Umsatzsteuer, Kapitalertragsteuer), haftungsrechtlichen (Rechtsform) und arbeitsrechtlichen (Anstellung von Ärzten / in welchem Umfang) Überlegungen.

 

Vorteile:

  • MVZ ist von der Praxis gut angenommen worden und ein positiver, eingefahrener Begriff
  • MVZ hat derzeit größere Akzeptanz bei den Zulassungsausschüssen als andere neue Formen gemeinschaftlicher Berufsausübung
  • Möglichkeit des Arztes zu unternehmerischer Tätigkeit über das 68. Lebensjahr hinaus

Nachteile:

  • Bürgschaftsverpflichtung des teilnehmenden Arztes
  • Rechtsunsicherheit hinsichtlich Überörtlichkeit
  • Örtliche Kollisionen von Standesrecht und Sozialrecht (Teilweise vollständiges Verbot der Beteiligung von Ärzten an Kapitalgesellschaften, soweit Beschlüsse des 107. Ärztetages nicht umgesetzt wurden)

Fazit: Vor- und Nachteile müssen im Einzelfall unter Berücksichtigung der Zulassungspraxis und der einschlägigen standesrechtlichen Normen geprüft werden. Eine grundsätzliche Empfehlung hinsichtlich der Sinnhaftigkeit eines Ärzte-MVZ kann angesichts der neuen Möglichkeiten, überörtliche und fachübergreifende Gemeinschaftspraxen zu gründen, nicht gegeben werden.

 

Ad 5) Überörtliches MVZ

 

Vor Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes: Gründung eines überörtlichen MVZ ist nicht möglich, selbst dann nicht, wenn eine überörtliche Gemeinschaftspraxis in ein MVZ umgewandelt wird.

 

Jetzt:

 

a) Ausgelagerte Praxisräume: Möglich bei entsprechendem Bedarf, aber für Pathologen uninteressant. Hierunter fällt nicht die Telepathologie.

 

b) Filialbildung gemäß § 24 Ärzte-ZV: Möglich, da ein MVZ einem Vertragsarzt gleichgestellt ist. Voraussetzung: Die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten mußt verbessert werden (Beispiel: Verkürzung von Wartezeiten) und die Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes darf nicht beeinträchtigt werden. Diese Voraussetzungen werden von dem jeweiligen Zulassungsausschuß geprüft. Hieraus resultiert eine gewisse Rechtsunsicherheit und die Gefahr, daß verschiedene Zulassungsausschüsse willkürliche Entscheidungen treffen.

 

c) Überörtliche Zusammenschlüsse verschiedener MVZ oder von MVZ und Vertragsärzten: nach § 33 Ärzte-ZV (überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft): Zweifelhaft, bisher keine konkrete Äußerung der Kven.

 

Ad 6) Kooperation zwischen MVZ und freiberuflichen Pathologen? Teilgemeinschaftspraxis mit einem MVZ, MVZ als Kooperationspartner

 

Durch das VÄndG soll das MVZ dem Vertragsarzt bzw. der vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis möglichst weitgehend gleichgestellt werden. Dies müßte eigentlich heißen, daß MVZ sich untereinander und mit Vertragsärzten ohne weiteres zu Berufsausübungsgemeinschaften verbinden können.

 

Die kassenärztliche Bundesvereinigung verhält sich indifferent: Ein Zusammenschluß zu einer Berufsausübungsgemeinschaft mit anderen Leistungserbringern nach § 33 Ärzte-ZV sei einem MVZ möglich. Ein Arzt könne aber nicht mit einem MVZ kooperieren, was mit einem pauschalen Verweis auf die §§ 18 und 23b der Musterberufsordnung begründet wird. Gemeint ist wohl, daß Ärzte bei Kooperation mit einem MVZ gegen das Verbot verstoßen, mit nichtärztlichen Teilhabern zu kooperieren, die auch Gewinne der Praxis abschöpfen. Dies ist indes nicht zwingend, zumindest nicht bei der Kooperation mit einem Ärzte-MVZ.

 

Im Ergebnis halte ich die Kooperation eines niedergelassenen Arztes mit einem MVZ – auch im Sinne einer Berufsausübungsgemeinschaft / Gemeinschaftspraxis / Teilgemeinschaftspraxis – grundsätzlich für zulässig. Eine solche Kooperation wird aber zunächst auf den Widerstand der KVen und Zulassungsausschüsse stoßen und muß notfalls gerichtlich durchgesetzt werden.

 

Ad 7) Ärzte als Gesellschafter einer Trägergesellschaft / Kollision mit Standsrecht

 

§ 23 a MBO: Nur Ärzte können Gesellschafter einer Ärztegesellschaft sein / keine Gewinnabschöpfung durch Dritte: Diese Norm ist nicht einschlägig, da die Trägergesellschaft eines MVZ keine Ärztegesellschaft ist.

 

Notwendigkeit des Ausscheidens eines Arztes bei Fortfall der Zulassungsvoraussetzungen?

  • Erreichen der Grenze 68 Jahre: nein
  • Anstellung beim MVZ: nein
  • Berufsunfähigkeit: ja. Letzteres gilt aber auch beim Betrieb einer Gemeinschaftspraxis, ist also kein spezifischer Nachteil des MVZ

Fazit: Das MVZ ist nicht das Kolumbus-Ei, für das es von den Medizinrechtlern zunächst gehalten wurde. Auch nach der Einführung des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes besteht in grundsätzlichen Fragen erhebliche Rechtsunsicherheit. Erst in einigen Jahren werden die obergerichtlichen Entscheidungen vorliegen, die diese Fragen beantworten. Dies gilt allerdings für das gesamte neue Zulassungsrecht.

 

Gleichwohl sollte jeder reformwillige und unternehmerisch denkende Arzt sich mit den neuen Möglichkeiten beruflicher Betätigung intensiv befassen, will er den Anschluß an seine Berufskollegen nicht verlieren.

 

Wenn der Wind stärker weht, baut der eine Mauern um sein Haus. Der andere baut eine Windmühle.

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