Pathologie und Umsatzsteuer

Zuerst veröffentlicht in Patho., Verbandszeitschrift des Bundesverbands Deutscher Pathologen 3/10, S. 8

 

Mit Wirkung zum 01.01.2009 hat der Gesetzgeber die Umsatzsteuerbefreiung im Bereich der Humanmedizin neu geregelt. Durch die sehr umfangreiche und komplizierte Regelung ist es dem Steuergesetzgeber wieder einmal gelungen, viel Dunkel ins Licht zu bringen und eine Vielzahl von Anwendungsproblemen zu schaffen, deren Existenz man vorher nicht für möglich gehalten hätte.

 

In der Formulierung lässt sich ein Paradigmenwechsel ausmachen: Während bisher die „Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt" steuerbefreit waren, sind es nunmehr die „Heilbehandlungen im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt". Anknüpfungspunkt ist daher stärker als bisher der Aspekt der ärztlichen Tätigkeit als Heilbehandlung.

 

Im Folgenden sollen ausschließlich die Auswirkungen aufgezeigt werden, die sich typischerweise für Pathologen ergeben:

 

1. Gutachten

 

Gutachterliche Tätigkeit eines Arztes ist umsatzsteuerbefreit, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht. Dies trifft bei Pathologen im Wesentlichen auf Konsiliarbefundungen zu. Bei Gutachten, die für Behörden oder Gerichte angefertigt werden, sind Gutachten über die Gewährung beantragter Heil- und Hilfsmittel von der Umsatzsteuer befreit. Gleiches gilt für Gutachten für die Feststellung der persönlichen Voraussetzungen einer medizinischen Rehabilitation.

 

Nicht von der Umsatzsteuer befreit sind Gutachten, die für Sozialgerichte im Bereich der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit erstellt werden. Umsatzsteuerpflichtig sind auch Gutachten im Rahmen von Arzthaftungsprozessen und Gutachten, die sich mit ärztlicher Abrechnung beschäftigen.

 

2. Sektionen

 

Die Durchführung einer Leichenschau ist umsatzsteuerpflichtig, soweit es sich um die zweite Leichenschau oder weitere handelt. Auch das spätere Ausstellen der Todesbescheinigung als Genehmigung zur Feuerbestattung ist umsatzsteuerpflichtig.

 

Die Obduktion wird derzeit von den Finanzbehörden als umsatzsteuerpflichtig angesehen.

 

3. Dermatohistopathologie

 

Dermatologen stehen unter besonderer Beobachtung der Finanzverwaltung. Dies liegt daran, dass dermatologische Leistungen selbstverständlich der Heilbehandlung dienen, wenn den Patienten die Sorge treibt, ein Muttermal könnte Hautkrebs sein. Entfernt der Dermatologe das Muttermal lediglich, weil es den Patienten optisch stört, ist die Leistung umsatzsteuerpflichtig. Da Dermatologen in ihrer täglichen Arbeit sicherlich andere Probleme haben, als in jedem Einzelfall komplizierte steuerliche Abwägungen vorzunehmen, kommt es sehr häufig zu Konflikten zwischen Dermatologen und der Finanzverwaltung. Der Steuerfiskus neigt dazu, dermatologische Leistungen pauschal in den Bereich des Lifestyle einzuordnen und umsatzsteuerpflichtig zu machen. Noch schwieriger ist die Einordnung für den Pathologen, da bei entsprechendem Auftrag des Dermatologen selten umfangreiche Informationen zur Vorgeschichte der Behandlung gegeben werden. Es wäre aber verfehlt, nur maligne Befunde nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Dem Pathologen ist zu raten, Umsatzsteuer dann auszuweisen, wenn die Leistung klar als IGeL-Leistung gekennzeichnet ist und in allen anderen Fällen keine Umsatzsteuer zu erheben.

 

4. Geschäftsführungstätigkeit für eine Gemeinschaftspraxis

 

In manchen Praxisverträgen finden sich Regelungen, die dem geschäftsführenden Arzt für seine Geschäftsführungstätigkeit einen Vorabgewinn zubilligen. Vor solchen Regelungen ist zu warnen: Wenn eine solche Geschäftsführertätigkeit gegen Entgelt gegenüber der Gemeinschaftspraxis erbracht wird, handelt es sich um einen sogenannten „Innenumsatz", der der Umsatzsteuer unterliegt. Derartige Praxisverträge sollten dringend geändert werden. Die Berücksichtigung der Leistung eines geschäftsführenden Arztes kann zwanglos auch so erfolgen, dass dieser ohne nähere Begründung schlicht einen höheren Gewinnanteil erhält.

 

Ähnliches gilt, wenn Ärzte bestimmte Geräte im Sonderbetriebsvermögen haben und diese gegen Entgelt der Praxis zur Verfügung stellen. Auch hier ist davor zu warnen, eine zu ausführliche Regelung in den Praxisvertrag aufzunehmen. Besser ist es, die Geräte unentgeltlich zur Verfügung zu stellen und dafür mehr Gewinn zu entnehmen.

 

Grundsätzlich gilt, dass Leistungsaustausche zwischen Gesellschafter und Gesellschaft wegen der Umsatzsteuerpflicht vermieden werden sollten.

 

5. Folgen der Umsatzsteuerpflicht

 

Anders als bei der Gewerbesteuer führt Umsatzsteuer auf einzelne Tätigkeiten nicht zu einer Infektion sämtlicher Umsätze des Arztes und seiner Partner. Sollte es also bei einer Steuerprüfung zur Feststellung umsatzsteuerpflichtiger Umsätze kommen, ist der Steuerschaden begrenzt auf den jeweiligen betroffenen Umsatz. Im Unterschied zur Gewerbesteuer empfiehlt der Unterzeichner deshalb, es im Einzelfall durchaus einmal auf eine Auseinandersetzung mit den Finanzbehörden ankommen zu lassen und nicht zu vorsichtig zu agieren. Schließlich sind wir alle Staatsbürger, nicht Untertanen.

 

Hinzu kommt die Umsatzsteuerbefreiung für Kleinunternehmer: Die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer wird nicht erhoben, wenn der betroffene Bruttoumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 17 500 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Hierbei werden die Umsätze sämtlicher Ärzte einer Gemeinschaftspraxis zusammengerechnet. Praxen. die voraussichtlich unter dieser Grenze liegen, sollten von vornherein keine Umsatzsteuer in Ansatz bringen.

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