Rechtsinformationen für Pathologen

Ausgabe 29/2020 – Thema: Neuigkeiten im Nachbesetzungsverfahren

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

herzlich willkommen zur neunundzwanzigsten Ausgabe meines Mandantenbriefs. Heute übersende ich Ihnen meinen bereits im letzten Heft patho. erschienenen Artikel zum Zulassungsrecht:

 

Die Übertragung von Praxissitzen an Nachfolger oder Käufer war in den letzten Jahren im Allgemeinen damit verbunden, daß sich der Verkäufer noch für mindestens drei Jahre anstellen lassen mußte. Ein aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts eröffnet neue Möglichkeiten. Ein weiteres Urteil schafft Klarheit bei der Bewerberauswahl in der Nachbesetzung.

 

1) BSG, Urteil vom 12.02.2020, Az. B 6 KA 19/18 R

 

Das Nachbesetzungsrecht für Kassenarztsitze ändert sich permanent. Nach Einführung der Bedarfsplanung war es üblich, zugunsten einer Anstellung beim Praxiserwerber auf den Kassenarztsitz zu verzichten, um ein unter Umständen riskantes Ausschreibungsverfahren zu vermeiden. Nach einem oder zwei Schamquartalen wurde dann der Kassenarztsitz auf andere Angestellte des Erwerbers oder auf den Erwerber selbst übertragen. Dem schob das Bundessozialgericht im Jahr 2016 (Az: B 6 KA 21/15 R) einen Riegel vor und verlangte, daß die Anstellung, zu deren Gunsten verzichtet werde, mindestens drei Jahre dauern müsse. Somit bestand bis jetzt für abgabewillige Ärzte eine gewisse Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder mußte man sich dem Risiko unterziehen, bei einer Ausschreibung den Sitz nicht an den Verkäufer, sondern an einen unerwünschten Dritten zu verlieren, oder man mußte sich nach dem eigentlich beabsichtigten Ende der Tätigkeit noch drei Jahre lang anstellen lassen. Für Furore sorgt nunmehr ein neues Urteil des Bundessozialgerichts.

 

Sachverhalt (vereinfacht): Ein Orthopäde hatte seinen Sitz ausgeschrieben mit dem Ziel, seine Praxis an einen bestimmten anderen Arzt zu verkaufen. Der Zulassungsausschuß entschied sich aber im Ausschreibungsverfahren für einen Konkurrenten, an den der ausschreibende Orthopäde auf keinen Fall verkaufen wollte. Der Berufungsausschuß wies den Widerspruch des Arztes zurück. Hiergegen erhob der Orthopäde Klage vor dem Sozialgericht. Darauf erklärte der Orthopäde nunmehr die Rücknahme seines Antrags auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens und auf Ausschreibung des Vertragsarztsitzes. Stattdessen verzichtete er auf seinen Vertragsarztsitz, um sich auf diesem Sitz anstellen zu lassen.

 

Entscheidung: Das BSG hat entschieden, daß die Rücknahme des Antrags auf Nachbesetzung noch bis zur Bestandskraft der Auswahlentscheidung möglich ist. Das bedeutet, daß man dann, wenn das Nachbesetzungsverfahren nicht wunschgemäß läuft und der Sitz einem nicht genehmen Nachfolger zugeteilt wird, dies noch bis zu einer gerichtlichen Entscheidung verhindern kann. Die Gefahr des Verlusts eines Kassenarztsitzes an einen unerwünschten Dritten ist hierdurch sehr gering. Es wird deshalb in vielen Fällen Sinn machen, statt des bisherigen Mittels erster Wahl, nämlich des Verzichts auf den Kassenarztsitz zugunsten der Anstellung, zunächst ein Ausschreibungsverfahren zu versuchen, um ohne Umwege in den Ruhestand zu kommen.

 

Cave: Einschränkend führt das BSG aus, daß ein erneuter Nachbesetzungsantrag nach einem solchen Verhalten nur möglich ist, wenn der Arzt ein berechtigtes Interesse für die Rücknahme und die erneute Antragstellung darlegen kann. Das bedeutet, daß eine Ausschreibung mit der Möglichkeit zur notfallmäßigen Ausschreibungsrücknahme nur dann gewählt werden sollte, wenn man eine Ersatzlösung in Form des Verzichts auf die Zulassung zugunsten einer Anstellung für drei Jahre als „Plan B“ im Kopf hat und notfallsdurchführen kann.

 

2) BSG, Urteil vom 13.05.2020, Az. B 6 KA 11/19 R

 

In einem weiteren aktuellen Urteil stellt das BSG klar, daß es bei der Auswahlentscheidung in einem Ausschreibungsverfahren oder einem Verfahren zur Neubesetzung nicht auf die Person des Anstellenden, sondern auf die Person des anzustellenden Arztes ankommt. Diese Kriterien sind die berufliche Eignung, das Approbationsalter, die Dauer der ärztlichen Tätigkeit, eine Behinderung, die Ergänzung eines besonderen Versorgungsangebots, ob der Bewerber ein Angestellter oder Praxispartner des bisherigen Vertragsarztes ist usw.

 

Solche Entscheidungen werden von den verschiedenen Zulassungsausschüssen völlig unterschiedlich gehandhabt. In Bayern beispielsweise kommt es vorrangig auf die Patientenversorgung an, während in Baden-Württemberg allein auf das Approbationsalter und die Dauer der bisherigen Tätigkeit abgestellt wird. Beides ist nach der Rechtsprechung zulässig, solange keine Willkürentscheidung vorliegt.

 

Das Urteil, verbunden mit der Praxis mancher Zulassungsausschüsse, allein auf Alter und Erfahrung abzustellen, ist bedenklich, weil es älteren Ärzten erlaubt, Kassenarztsitze als Strohmänner in MVZ oder Praxen zu besetzen, ohne dort noch nachhaltig tätig zu werden, während junge Niederlassungswillige chancenlos bleiben.

 

Meine Praxis ist bis zum 04.01.2020 geschlossen. Ich wünsche Ihnen, Ihren Angehörigen und Mitarbeitern ein ansteckungsfreies, ruhiges und zufriedenes Weihnachtsfest und einen guten Übergang in ein hoffentlich besseres Jahr 2021.

 

Herzlichst Ihr

C. Renzelmann

 

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Neuigkeiten im Nachbesetzungsverfahren
Rechtsinformationen für Pathologen 29-20
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