Rechtsinformationen für Pathologen

Ausgabe 26/2020 – Thema: Rechtswidrige Verweigerung von Kurzarbeitergeld durch die Bundesanstalt für Arbeit

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

herzlich willkommen zur sechsundzwanzigsten Ausgabe meines Mandantenbriefs. Ursprünglich hatte ich vor, über die rückwirkend beschlossene und wahrscheinlich für das erste Quartal 2020 rechtswidrige Veränderung des EBM bei der HPV-Subtypisierung zu berichten. Da die entsprechenden Abrechnungsbescheide aber nicht vor dem Herbst vorliegen, verschiebe ich dies noch einmal. Es besteht stärkerer Handlungsbedarf bei der Beantragung von Kurzarbeitergeld, was dazu führt, daß ich zum vierten Mal in Folge über Themen im Zusammenhang mit Corona referieren muß.

 

Abgespielt hat sich folgendes:

 

Der Gesetzgeber hat Ausgleichszahlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen nach dem Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz beschlossen, worüber ich in meinem letzten Mandantenbrief vortrug. Die Umsetzung zieht sich in den meisten KV-Bezirken hin, ist keineswegs gewährleistet und hilft zumindest ad hoc den wenigsten Praxen. Viele Praxisinhaber haben sich entschlossen beziehungsweise beabsichtigen, in Kurzarbeit zu gehen. Umso alarmierender ist deshalb ein Rundschreiben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vom 28.04.2020, in dem es heißt: „Vertragsärztliche Praxen erhalten nach einer internen Weisung der Bundesagentur für Arbeit grundsätzlich kein Kurzarbeitergeld.“ 

 

Grund seien die im März durch den Bundestag beschlossenen Ausgleichszahlungen für Vertragsärzte und – Psychotherapeuten. Die Ausgleichzahlungen wirkten wie eine Betriebsausfallversicherung, sodaß die erforderlichen wirtschaftlichen Gründe für den Anspruch auf Kurzarbeitergeld fehlten, heißt es in der internen Anweisung in der Behörde. Raum für eine Zahlung von Kurzarbeitergeld bestehe folglich nicht.

 

Ich bin der Auffassung, daß die Verweigerung von Kurzarbeitergeld mit dieser Begründung rechtswidrig ist. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus zwei Argumenten:

 

1.

Der Verweis auf die „Ausgleichszahlungen“ ist insbesondere bei Pathologen unzutreffend. Als Partner der sektorübergreifenden Versorgung gesetzlich Versicherter und wegen der Versorgung von ambulanten und stationären Privatpatienten können sich die Ausgleichszahlungen maximal auf ein Drittel der in einer typischen Pathologie entstehenden Umsätze auswirken. Da bereits mehrere Kassenärztliche Vereinigungen angedeutet haben, daß Ausgleichszahlungen für extrabudgetäre Leistungen nicht gezahlt werden und da bisher noch in keinem einzigen KV-Bezirk eine endgültige rechtssichere Lösung beschlossen ist, verweist die Bundesanstalt für Arbeit letztlich auf Phantomzahlungen. Solange kein Geld auf dem Konto des jeweiligen Arztes ist beziehungsweise solange die Rückforderung erhaltener Abschlagszahlungen nicht ausgeschlossen ist, gibt es dementsprechend keinen Grund, irgendwelche Leistungen zurückzuhalten. 

 

2.

Davon abgesehen – und das ist das weitaus stärkere Argument – haben Gewinne, Umsätze oder wirtschaftliche Not von Unternehmen die Bundesanstalt für Arbeit überhaupt nicht zu interessieren. Die Voraussetzungen der Gewährung von Kurzarbeitergeld knüpfen nämlich an solche wirtschaftlichen Erwägungen gar nicht an. Sinn und Zweck des Kurzarbeitergeldes ist es, Entlassungen zu vermeiden, die durch einen Fortfall von Arbeit – sprich Aufträgen – drohen. Sinn des Kurzarbeitergeldes ist es nicht, wirtschaftliche Verluste des Arbeitgebers aufzufangen (auch wenn das manchmal ein angenehmer Nebeneffekt ist). Das Kurzarbeitergeld soll Arbeitnehmer schützen, nicht Arbeitgeber. Demensprechend heißt es in § 95 SGB III als Anspruchsvoraussetzung „… wenn ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt…“ Unter Entgeltausfall ist nicht das Einkommen des Arbeitgebers, sondern das des Arbeitnehmers zu verstehen. Aufgefangen werden soll nicht die Situation, daß das Unternehmen rote Zahlen schreibt, sondern die Situation, daß Arbeitnehmer entlassen werden, weil es für sie vorübergehend nichts zu tun gibt, also die Beschäftigung zeitweise sinnlos wird. Die betrieblichen Voraussetzungen sind gem. § 97 SGB III erfüllt, wenn in dem Betrieb mindestens ein Arbeitnehmer/in beschäftigt ist. Genau aus diesem Grunde ist es möglich, lediglich einen Teil eines Betriebes, etwa einer Abteilung, in Kurzarbeit zu schicken. Weitere Anspruchsvoraussetzungen gibt es aus Sicht des Unternehmens im Gesetzestext nicht.

 

Die Bundesanstalt für Arbeit stellt hier dementsprechend sachfremde Erwägungen an (Argument 2). Bereits hierdurch ist die Verweigerung von Kurzarbeitergeld rechtswidrig. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, wäre die Verweigerung von Kurzarbeitergeld zumindest unverhältnismäßig und damit ebenfalls rechtswidrig (Argument 1). 

 

Es wird empfohlen, auf jeden Fall Leistungen im Rahmen der Kurzarbeit zu beantragen und bei Verweigerung fristgerecht Widerspruch zu erheben, notfalls auch den Rechtsweg zu beschreiten.

 

Herzlichst Ihr

C. Renzelmann

 

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Rechtswidrige Verweigerung von Kurzarbeitergeld durch die Bundesanstalt für Arbeit
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